FNP Gundelfingen-Heuweiler 3. Änderung Entwurf 2013

Absage an die Demokratie? – Stellungnahme zur Bürgerinitiative gegen das Baugebiet „Nägelesee-Nord“ in Gundelfingen

Update 14.03.2021: mit 3290 zu 3166 Stimmen (50.96% zu 49.04%) hat Gundelfingen im Bürgerentscheid für die Bebauung von Nägelesee Nord gestimmt.

Der Vorgang der derzeit unsere Nachbargemeinde beschäftigt, geht auch mich in Heuweiler etwas an. Ich finde es ist an der Zeit Stellung zu beziehen, auch wenn die Ausweisung eines Baugebietes oder ein Bürgerentscheid darüber natürlich alleine die Sache von Gundelfingen ist.

Im Juli 2020 hat ein Jahr vorher neu gewählte Gemeinderat Gundelfingen den Beschluss gefasst, einen Bebauungsplan für das Gebiet „Nägelesee-Nord“ aufzustellen[1](Abb. 1). Alle Gundelfinger Gemeinderatsfraktionen hatten sich im Vorfeld der Gemeinderatswahl 2019 zu der Entwicklung eines Bebauungsgebietes positioniert. Der Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplanes  kam daher keinesfalls aus dem nichts, sondern ist auch Ergebnis der Wahlen, aus denen das Gremium hervorgegangen ist. Insgesamt soll eine Fläche von 440 ar überplant werden. Es ist das erste Mal seit über 25 Jahren, dass in Gundelfingen ein Neubaugebiet ausgewiesen werden soll.  Die Ausweisung von Bauland sollte ausdrücklich dazu beitragen, die dramatische Wohnungsnot zu lindern.

Gundelfingen Nägelesee-Nord

Abb. 1: Darstellung der Flächen, die in Bauland umgewandelt werden sollen (38.206 qm + 5.946 qm) [4]


Um Grundspekulationen zu vermeiden, wurden am Ende der davorgehenden Wahlperiode in Vorbereitung dieses Beschlusses  eigens verbindliche Grundsätze zum Erwerb von entsprechenden Flächen beschlossen – das sog. Gundeflinger Baulandmodell, auch „40 Prozent-Modell“ genannt – ein Modell, welches sich in ähnlicher Form in Bad Krozingen seit Jahren bewährt [2]. Ich wäre froh, wir hätten in Heuweiler eine entsprechend faire und transparente Lösung.

Neufassung des Flächennutzungsplans im nördlichen Teil Gundelfingens vor 8 Jahren

Der Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans des Gemeinderates unserer Nachbargemeinde greift eine über Jahrzehnte bestehende Planung auf welche bei der Überarbeitung des Flächennutzungsplanes (FNP) ausdrücklich bestätigt wurde. Der FNP verfolgte im Norden Gundelfingens jedoch  nicht primär die Ermöglichung weiterer Baugebiete, sondern diente vor allem der Darstellung der Grenzen der Bebauung und des Schutzes von Freiflächen im nördlichen Gundelfingen (Abb. 2). Die Formulierung der Bauerweiterungsflächen erfolgte nach einem wohlüberlegten landschaftsplanerischen Konzept, an dem mehrere Jahre gearbeitet worden wahr. Verkehrstechnische Überlegungen wurden in den damaligen Planungen ausdrücklich mitbeachtet. Aus diesen Gründen hatte 2013 der Gemeinderat Heuweiler  dem FNP einstimmig zugestimmt.

 

FNP VVG Gundelfingen-Heuweiler

Abb. 2: Landschaftsplanerischer Entwurf zum Flächennutzungsplan (FNP) der VVG Gundelfingen-Heuweiler [3] (Auszug aus den Beratungsunterlagen der öffentlichen Sitzung in Heuweiler vom 21.02.2013). Da Heuweiler mit Gundelfingen seit 1977 eine vereinbarte Verwaltungsgemeinschaft (VVG) hat, fällt die Beschlussfassung zum FNP in die Zuständigkeit des interkommunalen gemeinsamen Ausschusses. Diesem Plan hat Heuweiler im Februar 2013 noch unter Bürgermeister Dr. Bentler einstimmig zugestimmt. Der FNP weist seit Jahrzehnten den Bereich Nägelesee-Nord als Wohnbauerweiterungsfläche aus. Die Überarbeitung des FNP von 2013 verfolgte nach mehrjähriger Vorbereitung (u.a.: landschaftsplanerischer Fachberatung) im Einklang mit dem Regionalplan [8] folgende Ziele: (1) dauerhafte Sicherung einer Freifläche für Landwirtschaft und Ökologie im nördlichen Gemarkungsbereich Gundelfingens, (2) Sicherung einer Freihaltefläche für die verkehrliche Entlastung der Wohngebiete entlang der Linden- Steinacker und Blumenstraße und (3) der Möglichkeit für eine sinnvolle Arrondierung des bisher unorganisch entwickelten Siedlungsrand mit Entwicklung eines Grünzugs.

 

In der Ratssitzung am 24. September 2020 sollten ein städtebaulicher Wettbewerb und ein Format der Bürger- und Einwohnerbeteiligung beschlossen werden[4]. Dazu kam es nicht. Wegen der Aktivität einer Bürgerinitiative wurde der Beschluss von der Tagesordnung genommen

Bürgerinitiative sammelt Unterschriften gegen die Ausweisung des Baugebietes

Eine Bürgerinitiative aus Gundelfingen hatte sich nach dem Beschluss des Gemeinderates im Juli 2020 von dem Verein „Mehr Demokratie e.V.“ beraten lassen und eine Unterschriftensammlung gestartet. Die Bürger wurden gefragt „Sind Sie dagegen, dass das Gebiet ‚Nägelesee-Nord‘ als Baugebiet ausgewiesen wird?“ Für die Komplexität der Gründe, die zu dem Beschluss des Gemeinderats geführt haben, ist diese Suggestivfrage zumindest grob vereinfachend.

Die Hürden für einen Bürgerentscheid sind zuletzt 2015 deutlich gesenkt worden. Es reicht inzwischen aus, wenn nur 7 Prozent der Wahlberechtigten unterschreiben. Man könnte meinen, es sei gut, dass Bürger unmittelbar Einfluss nehmen können. Leider sehe ich das, was in Gundelfingen gerade passiert als Negativbeispiel. Hier geht es nicht um „Mehr Demokratie“, sondern darum, dass eine kleine Minderheit Mehrheitsentscheidungen demontiert.

Woche für Woche kann man seither in den Gundelfinger Nachrichten nachlesen, wie der Bürgermeister und die Gemeinderatsfraktionen versuchen, Falschinformationen klarzustellen und mit ausführlichen Argumenten Behauptungen und polemischen Beschuldigungen entgegenzutreten [5]. Offenbar verweigert sich die Bürgerinitiative jedoch nicht nur den Fakten, sondern auch der offenen Diskussion. Das gute an Falschbehauptungen ist ja, dass man sie sich so zurechtlegen kann, wie sie einem gerade passen. Wenn man gar nicht erst versucht, die Wahrheit zu sagen, braucht mach Faktenchecks nicht zu fürchten.

Für mich ist die Kampagne gegen den Gemeinderat in Gundelfingen ein Beispiel, wie die direkte Demokratie der repräsentativen Demokratie unseres Landes Schaden zufügt. Ich sehe in dem Vorgang weder „Mehr Demokratie“ noch eine auch nur annähernd sinnvolle Form der Bürgerbeteiligung, sondern eher eine Absage an die demokratischen Strukturen unseres Landes. Im Gemeinderat wird regelmäßig um Lösungen gerungen. Oft müssen Kompromisse gemacht werden, nicht nur zwischen den Fraktionen, sondern auch, weil manche Ziele nicht miteinander vereinbar sind. Die Kompromisse muss man als verantwortlich Handelnder nicht selten „mit sich selbst“ machen.  Beispielsweise lassen sich Schaffung von neuem Wohnraum und Freihalten von Flächen nicht gleichzeitig realisieren. Im Beispiel Gundelfingens wurde die Antwort auf diese Frage im bereits erwähnten Flächennutzungsplan gesucht, indem einerseits die Wohnbauflächen bestätigt wurden, aber andererseits die Grenzen der Bebauung festgelegt wurden und landwirtschaftliche Flächen auf Dauer vor Bebauung geschützt wurden. Auf dieser Art von Kompromissen baut unser Gemeinwesen auf, und aus gutem Grund gibt es gerade bei planerischen Vorgängen eine strukturierte Öffentlichkeitsbeteiligung.

Gemeinderäte sehen sich einer „fake-news“ Kampagne ausgesetzt

Betroffen macht mich als informierten Bürger der Nachbargemeinde, dass die Protagonisten der Initiative, die sich „Lebenswertes Gundelfingen“ nennt, in ihren Veröffentlichungen und auf ihrer Homepage fast ausschließlich mit aus der Luft gegriffenen Behauptungen oder sogar mit polemischen Falschaussagen (mit sog. „alternativen Fakten“) agieren [6]. Die Initiative setzt der ausgewogenen langjährigen Planung und Vorbereitung (vermutlich bewusst) die Desinformation entgegen. So sehen sich die ehrenamtlich über Jahre und Jahrzehnte engagierten Gemeinderäte plötzlich einer „fake news“ – Kampagne ausgesetzt, die ich in dieser Form in unserer Raumschaft noch nicht erlebt habe. Von fehlender Transparenz bei den politischen Entscheidungen ist die Rede, von fehlender Offenheit und von fehlender Kompetenz im Gemeinderat. Die Bürgerinitiative hat bisher gerade die Planungen und die Bürgerbeteiligung verhindert und wirft gleichzeitig dem Gemeinderat und dem Bürgermeister vor, noch keinen fertigen Plan zu haben. Den politisch Handelnden wird unterstellt, sie hätten leichtfertig und übereilt entschieden.

Zugrundeliegende Planungen gehen auch Heuweiler etwas an

Da der zugrundeliegende Flächennutzungsplan der Verwaltungsgemeinschaft Gundelfingen-Heuweiler auch von unserer Gemeinde verabschiedet wurde, betrifft das Infragestellen der langfristigen Planungen auch mich als Gemeinderat und als stellvertretenden Bürgermeister von Heuweiler. Bei den öffentlichen Beratungen hatte ich mich in die Planungen eingebracht, und bei der Verabschiedung im Gemeinsamen Ausschuss der VVG war ich dabei. Natürlich ist der konkrete Beschluss zum Aufstellen eines Bebauungsplans alleine die Sache unserer Nachbargemeinde. Ich möchte an dieser Stelle unterstreichen, dass es mir nicht um die Abschaffung der Elemente direkter Demokratie geht. Aber möglicherweise sollte man doch verlangen, dass Unterschriftensammlungen mit Suggestivfragen keine bindende Wirkung haben und vielleicht sollte man ein Mindestmaß an Sachlichkeit in den Kampagnen vorschreiben.

Entscheidung am Sonntag, 14. März 2021 (am Tag der Landtagswahl)

Am 14. März werden die Gundelfinger im Bürgerentscheid folgende Frage beantworten: „Sind Sie dafür, dass das Gebiet Nägelesee-Nord als Baugebiet ausgewiesen wird?“ Ein Bürgerentscheid hat die gleiche Wirkung wie ein Beschluss des Gemeinderats. Er ist drei Jahre bindend, kann allerdings innerhalb von drei Jahren durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden [7].

Von der Bürgerinitiative würde ich mir wünschen, dass sie auf Falschaussagen verzichtet und persönliche Angriffe auf Gemeinderäte unterlässt. Ich hoffe, dass die Mehrheit der Einwohner Gundelfingens das bisherige Spiel der BI durchschaut und am 14. März ein deutliches positives Votum für die weitere Planung des Bebauungsgebietes „Nägelesee-Nord“ abgibt. Ich wünsche mir dies nicht, weil ich als Gemeinderat aus Heuweiler irgendwelche Interessen am Ausgang des Bürgerentscheids hätte. Ich wünsche mir ein positives Votum, weil dies ein deutliches Signal für die Anerkennung des ehrenamtlichen politischen Engagements der Gemeinderäte aller Fraktionen in Gundelfingen wäre und eine Absage an kurzfristige Effekthascherei. Ich wünsche mir ein positives Votum, weil es ein deutliches Signal der Stärkung unserer demokratisch legitimierten Institutionen wäre.

 

Verlinkte Quellen

[1] Grundsatzbeschluss der Gemeinde Gundelfingen zum Baugebiet Nägelesee-Nord

[2]  Gundelfinger Baulandmodell, Stand 2018

[3] FNP der VVG Gundelfingen-Heuweiler im Bürger-GIS des Landkreises

[4] Seite der Gemeinde Gundelfingen zum Baugebiet Nägelesee-Nord mit Link zur gemeinsamen Erklärung des Gemeinderats und des Bürgermeisters

[5] Gundelfinger Nachrichten Nr. 2498 mit Stellungnahmen der CDU und der Grünen Nr. 2503 mit Stellungnahmen der CDU und der Freien Wähler, Nr. 2505 mit Stellungnahmen der SPD und CDU Gundelfingen, Nr . 2506 mit Stellungnahmen der SPD und der Freien Wähler

[6] Falschbehauptungen zum Nachlesen. Seite der Bürgerinitiative gegen ein neues Baugebiet Nägelesee-Nord in Gundelfingen

[7] Informationen zum Bürgereintscheid in Baden-Württemberg im Beteiligungsprotal BW

[8] Regionalpan, Blatt zu Gundelfingen von der Seite des Regionalverbands südlicher Oberrhein

[9] Bauboom mit Nebenwirkungen. ZDF-Beitrag zum Problem des Flächenverbrauchs vom 23.02.2021, darunter auch ein Planet E -Videobeitrag

Für die Gemeinderatsfraktion Neue Liste Heuweiler

Claudius Stahl

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