Mit dem Kinderförderungsgesetz (KiföG) hat die Bundesregierung seit dem 1. August 2013 einen Rechtsanspruch auf Bereitstellung eines Betreuungsplatzes für Kinder zwischen 1 und 3 Jahren eingeführt. Das Kindertagesbetreuungsgesetz (KiTaG) zieht in Baden-Württemberg die Gemeinden zu dieser Aufgabe heran und verpflichtet sie, darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein „bedarfsgerechtes Angebot“ zur Verfügung steht.
Die Gemeinde Heuweiler hatte auf diese Situation reagiert, und bietet seit März 2013 im Kindergarten Sonnenhügel eine U3-Gruppe an. Der für diese Gruppe nötige Raumbedarf war einer der Gründe, welcher den Bau des neuen Gemeindehauses notwendig gemacht hatte. Damals wurden Versammlungsräume in der Kirchberghalle mit hohem Aufwand für die Zwecke der U3-Betreuung umgebaut. Die Gemeinde hatte Anstrengungen unternommen, damit die Gruppe bereits ab dem ersten Jahr Förderung durch das Land erhalten konnte. Aufgrund einer Stichtagesregelung für die Fördergelder war es nötig, die Versammlungsräume bereits im Dezember 2012 aufzugeben, obwohl klar war, dass die neuen Räumlichkeiten im Gemeindehaus noch lange nicht zur Verfügung stehen würden. Zusätzlich wurden die Öffnungszeiten des Kindergartens verlängert und der Leitung aufgrund des insgesamt gewachsenen Aufwandes erstmals einige Leitungsstunden genehmigt.
Seit Frühjahr 2016 hatte sich abgezeichnet, dass die U3 Plätze in Heuweiler ab Sommer 2017 nicht mehr ausreichen würden, um alle Anmeldungen aus Heuweiler zu bedienen. Das Thema war im Gemeinderat vorgetragen worden, und es wurde nach Lösungsmöglichkeiten gesucht. Es kristallisierte sich folgende mögliche Lösung heraus: Die Gemeinde hätte ein Privathaus anmieten können und es durch Umbaumaßnahmen in einen geeigneten Zustand für eine U3-Gruppe für 10 weitere Kinder bringen können. Der Träger des Kindergartens, die katholische Kirche, wäre diesen Weg mitgegangen. Bürgermeister und Verwaltung hatten in Vorbereitung dieser Maßnahme entsprechende Umbaupläne und Genehmigungen eingeholt. Bürgermeister Walz hatte diese Maßnahme im Rahmen des Neujahrsempfangs der Gemeinde Heuweiler im Januar 2017 angekündigt [1]. Damals standen die Planungen allerdings noch am Anfang.
In der nichtöffentlichen Sitzung des Beratenden Ausschusses der Gemeinde Heuweiler am 11.5.2017 wurden die Planungen für die Kindergartenerweiterung jäh beendet. Was war passiert?
Die Gemeinde Heuweiler hatte in den vergangenen Jahren stetig Infrastrukturbeiträge und hohe Einnahmen aus Grundstücksverkäufen zu verzeichnen. Es hatten sich hohe Rücklagen gebildet. Diese Rücklagen wurden planmäßig für Investitionen verbraucht (Gemeindehaus, Straße Hinterheuweiler). Bereits in den Beratungen zum Haushalt 2013 war von der Neuen Liste auf diesen Umstand hingewiesen worden und die Meinung vertreten worden, dass sich an der Frage, ob die laufenden Einnahmen die laufenden Ausgaben langfristig decken können, die Zukunft der Selbstständigkeit Heuweilers entscheiden werde [2]. Auf die sich aus dieser Situation ergebenden Sparzwänge hatten wir immer wieder hingewiesen [3], und zwar auch, als unser neuer Bürgemeister Walz in seinem ersten Haushalt bereit war, trotz Haushaltsrisiken und knapper Kassen den letzten Abschnitt des Straßenausbaus in Hinterheuweiler in die Tat umzusetzen [4].
In den letzten Jahren gab es wesentliche Änderungen in der Kostenstruktur der Gemeinde: Durch die (notwendige) Einführung einer U3-Gruppe im Jahre 2013 waren die Ausgaben im Unterabschnitt 1.4640 des Verwaltungshaushaltes (Tageseinrichtungen für Kinder) bereits um durchschnittlich 70 TEUR pro Jahr gestiegen (Abb. 1). Da die Kosten für Unterbringung für Kinder in auswärtigen Einrichtungen in dieser Zeit nahezu konstant geblieben waren (20-25 TEUR/Jahr), ist klar, dass diese Kostenerhöhung vor allem durch die zusätzliche U3-Gruppe entstanden sein muss. Außerdem benötigt die Gemeinde seit der Fertigstellung des neuen Gemeindehauses etwa 30 TEUR pro Jahr an Zuschüssen für Bewirtschaftung und Unterhalt des neuen Gebäudes. Zuletzt wird der Haushalt dadurch belastet, dass Zinseinnahmen für die Rücklagen weggefallen sind (in Vergleich zu 2011: -10 TEUR pro Jahr). In der Summe wird allein durch diese drei Positionen der Verwaltungshaushalt jährlich um etwa 110 TEUR zusätzlich belastet. Eine strukturelle Einnahmeverbesserung in dieser Größenordnung gab es aber nicht. Heuweiler hatte zwar zuletzt Rekordeinnahmen zu verzeichnen, aber gleichzeitig waren die Umlagen (Finanzausgleich, Landkreis, Gewerbesteuer) überproportional gestiegen. In den vergangenen Jahren gab es mehrfach hohe Einmaleinnahmen in der Gewerbesteuer, außerdem waren noch immer genügend Rücklagen da. Dies ist nun, bedingt durch die Ausgaben für den Straßenbau in Hinterheuweiler, nicht mehr der Fall. Die aktuelle Entscheidung, die Kosten für die Kinderbetreuung nicht noch weiter anwachsen zu lassen muss auch vor diesem Hintergrund betrachtet werden. Bei der Verabschiedung des Haushaltes für 2017 wurde im Gemeinderat über Steuererhöhungen gesprochen [5], ein Beschluss wurde damals aber nicht gefasst.
Eine drohende finanzielle Schieflage hatte sich also seit einiger Zeit angekündigt. Warum nun also ein Paukenschlag?
Wie bereits erwähnt hatte es in den vergangenen Jahren meist positive Überraschungen in der Jahresrechnung gegeben. Entweder gab es unerwartet hohe Steuereinnahmen, oder der Kindergartenzuschuss fiel geringer aus als geplant. Oder die Schlüsselzuweisungen waren höher als erwartet. Regelmäßig stand der Gemeinde am Ende doch deutlich mehr Geld zur Verfügung als befürchtet. Und so bestand auch nun die Hoffnung, es werde doch nicht so schlimm kommen.
Am 11.5. wurden in besagter Sitzung dem Gemeinderat zwei Rechnungen aufgemacht: (1) Nach Abschluss der Planungen wurden die zu erwartenden Kosten für die Eröffnung der neuen U3 Gruppe konkretisiert: ca. 270 TEUR für 3 Jahre, ca. 360 TEUR für 5 Jahre (jeweils mit Berücksichtigung der Zuschüsse bei Vollbelegung). (2) die Haushaltssituation (ohne die Kosten für die neue U3-Gruppe): in 2016 eine Unterdeckung des Verwaltungshaushaltes von 46 TEUR, im Haushaltsplan 2017 von 28 TEUR, und in der bisherigen Hochrechnung für 2018 von 27 TEUR. Bis Ende 2017 werden voraussichtlich 240 TEUR neue Kredite aufgenommen werden, für die dann langfristig Zins und Tilgung fällig werden. Ende 2018 läge dann die Rücklage nur noch 27 TEUR über der vorgeschriebenen Mindestrücklage. Dies würde bedeuten, dass die Rücklage dann möglicherweise nur noch für 1 Jahr reichen würde.
Die zusätzlichen Ausgaben für die U3-Betreuung wären in dieser Situation nicht nur fahrlässig, sondern auch nicht genehmigungsfähig. Ein Ansteigen der Ausgaben musste verhindert werden. Mehr noch: statt über neue Ausgaben zu sprechen, muss es künftig darum gehen, die Struktur des Haushaltes zu verbessern. Mit anderen Worten: es muss gespart werden, wo es nur geht, und gleichzeitig muss über die Erhöhung von Steuern und Gebühren gesprochen werden.
Wegen der Dramatik der Zahlen, und weil bei den betroffenen Eltern nicht zuletzt schon durch die konkreten Planungen der Gemeinde Hoffnung auf einen U3-Platz im Herbst gemacht worden war, wurde Bürgermeister Walz beauftragt, über die aktuelle Situation die betroffenen Eltern, aber auch die Presse zeitnah zu informieren[6, 7]. Die Zeit bis zur nächsten öffentlichen Sitzung des Gemeinderates schien dem Rat zu lang.
Folgende Fragen drängen sich in diesem Zusammenhang auf:
1.) Hätte der Bürgermeister oder der Gemeinderat das Projekt früher stoppen müssen? Natürlich stellt sich die Frage, ob das Projekt nicht viel früher hätte beerdigt werden müssen. Schließlich ist ja das Gehalt von Erzieherinnen bekannt und die Miet- und Umbaukosten waren im Groben seit langem absehbar. Andererseits besteht für die Gemeinde die Verpflichtung aus dem KiTaG, darauf hinzuwirken, ein „bedarfsgerechtes“ Angebot zur Verfügung zu stellen. Vielleicht hätte der Bürgermeister die Sache nicht so rosig darstellen sollen. Aber die Ablehnung einer Maßnahme, für die es einen gesetzlichen Anspruch gibt, musste gut und fundiert begründet sein. Grobe Schätzungen der Kosten, wie sie bereits im Januar 2017 vorlagen, wären da möglicherweise nicht ausreichend gewesen. Außerdem bestand bis zuletzt die Hoffnung, die Jahresrechnung würde deutlich positiver ausfallen. Das Zahlenwerk wurde dem Gemeinderat zum frühest möglichen Zeitpunkt präsentiert, als die Planungen für die U3-Gruppe gerade abgeschlossen waren. So bitter es für alle Beteiligten und insbesondere für die Eltern, die auf die Betreuung gehofft hatten, ist: eine Entscheidung konnte früher wohl nicht getroffen werden.
2.) Hätte man das Gemeindehaus nicht bauen dürfen? Es ist leicht zu sagen, und es stimmt, dass ohne den Bau des Gemeindehauses mehr Geld in der Kasse wäre. Es darf aber nicht vergessen werden, dass das alte Rathaus auf die Baufälligkeit zuging; es gab keine adäquaten Räume für die Feuerwehr bzw. das Feuerwehrfahrzeug; der „große Versammlungsraum“ in der Halle stand weder für Vereine noch für den Rat weiter zur Verfügung; die Malteser hatten seit fast 50 Jahren keine geeigneten Räume, und selbst der „kleine Versammlungsraum“ musste für die U3-Gruppe aufgegeben werden. Die Notwendigkeit zu Bauen bestand in jedem Fall. Die Entscheidung für die Dorfmitte war zwar nicht ideal und deshalb im Dorf umstritten [8], aber durch diesen Standort konnten Fördergelder von fast einer Million Euro verbucht werden. Andere Standorte, wiewohl möglicherweise billiger, hätten daher die Gemeinde genau soviel gekostet. Vielleicht hätte der eine oder andere Euro bei der Gestaltung oder beim Innenausbau günstiger gebaut werden können. Allerdings wurde der Kostenrahmen durch die intensive Begleitung insbesondere durch die Verwaltung in Gundelfingen und den Gemeinderat Heuweiler nur unwesentlich überschritten. Meistens wurden Mehrkosten durch Verbesserungen der Qualität und der Haltbarkeit ausgelöst, so dass die Baukosten vielleicht teurer, dafür die zu erwartenden Unterhaltskosten aber günstiger wurden. In der Summe sind wir der Überzeugung, dass die Entscheidung zum Bau des Gemeindehauses eine Richtige war.
3.) Was bedeuten klamme Kassen für die Selbstständigkeit Heuweilers? Die politische Selbständigkeit ist aus unserer Sicht ein hohes Gut. Durch die Selbstständigkeit haben wir Entscheidungshoheit über die Dinge, die Heuweiler betreffen. Natürlich bewegen wir uns in einem engen Rahmen von Pflichtaufgaben, und die Spielräume für freiwillige Aufgaben der Gemeinde sind begrenzt. Dennoch sind die vielen Bürgerinnen und Bürger Heuweilers, die in der Vergangenheit oder aktuell im Gemeinderat tätig waren oder sind, zu Recht stolz auf das Erreichte: überall in Heuweiler spürt man, wie immer wieder die kleinen verbliebenen Spielräume dafür genutzt worden sind, Bürgersinn und Bürgerengagement zu aktivieren. Heuweiler ist es über die Jahrzehnte auch immer gelungen, Neubürger zum „Mitmachen“ zu bringen, und immer ging aus diesem Mitmachen auch Neues hervor, welches auf seine Weise das Bewährte im Dorf ergänzt und bereichert hat. Durch die politische Selbstständigkeit behält Heuweiler eine eigene Stimme und eine eigene Identität. Wir entscheiden selber über die Entwicklung auf unserer Gemarkung. Es ist daher wichtig, die Selbstständigkeit unbedingt zu erhalten. Allerdings bedeutet Selbstständigkeit auch eine große Verantwortung. In der aktuellen Situation bedeutet dies, dass die Verantwortlichen, also Gemeinderat und Bürgermeister, eng zusammenstehen und zusammenarbeiten müssen, um die Konsolidierung des Haushaltes in die Wege zu leiten. Nur wenn uns dies nachhaltig gelingt, können wir auf Dauer das Erreichte erhalten. Dazu könnte es notwendig sein, die Steuern zu erhöhen (aus unserer Sicht vor allem: Grundsteuer B und Hundesteuer) sowie bestimmte Abgaben kostendeckend zu gestalten (aus unserer Sicht vor allem: Bestattungsgebühren). Es geht um folgende Größenordnungen (aus der Jahresrechnung 2015): Einnahmen Hundesteuer 2.6 TEUR , Grundsteuer B 110 TEUR, Zuschuss Friedhof: 6 TEUR. Gleichzeitig müssen die Ausgaben überprüft werden. Dabei sollte jedoch die Devise nicht aufgegeben werden, dass wir unsere Vereine weiter kontinuierlich unterstützen. Möglicherweise müssen aber die Erwartungen der Vereine in den nächsten Jahren etwas gebremst werden. Auch sollten die Öffnungszeiten des Rathauses in Heuweiler überdacht werden, um an dieser Stelle Kosten zu sparen. Möglicherweise eröffnet auch die anstehende Neubesetzung der Verwaltung in Heuweiler die Möglichkeit, uns hier effizienter aufzustellen. Nicht zuletzt muss mit der Gemeinde Gundelfingen der Dialog gesucht werden: noch in diesem Jahr steht die Neuverhandlung des Verwaltungskostenbeitrags der Gemeinde Heuweiler in der Verwaltungsgemeinschaft an. Heuweiler muss darauf hinwirken, dass der Beitrag zur Verwaltungsgemeinschaft für Heuweiler mindestens nicht weiter steigt, da höhere Kosten uns in der aktuellen Situation erdrücken könnten. Dies bedeutet aber auch, dass Heuweiler mit der Inanspruchnahme der Ressourcen aus Gundelfingen sparsam (möglicherweise: sparsamer) umgehen muss. So manche Sache kann durch Bürgersinn und privates Engagement kostengünstig erledigt werden, statt den Bauhof oder professionelle Planer zu beauftragen. Wir sind zuversichtlich, dass sich Heuweiler wie in der Vergangenheit genügend Bürgersinn findet, um die kommenden Aufgaben zu stemmen. Zuletzt könnte daher die aktuelle Haushaltslage die politische Selbständigkeit Heuweilers nicht schwächen, sondern stärken, und die Bürgerinnen und Bürger im Dorf näher zusammenrücken lassen.
Claudius Stahl
Verlinkte Quellen
[1] Neujahrsempfang der Gemeinde Heuweiler 2017. Bericht der BZ vom 25.1.2017
[2] „Von Optimismus getragen“: Haushaltsrede 2013
[3] „Sparen, Sparen, Sparen“: Haushaltsrede 2015
[4] „Mut, Zuversicht und Vertrauen“ – Rede anlässlich der Haushaltsberatungen 2016
[5] Nächstes Jahr muss gespart werden. Bericht der BZ vom 12.12.2016
[6] Kein Geld für die Kleinkindergruppe. Bericht der BZ vom 20.5.17
[7] U3-Betreuung in Heuweiler. Gundelfinger Nachrichten KW 21/2017 (Bericht auf Seite 3)
[8] Dorfpolitik im Rebstock. Bericht der BZ vom 5.5.2010