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Welche Flüchtlingsunterkunft passt zu Heuweiler?

Stand September 2018 sind in Heuweiler nicht einmal 4% der vom Landkreis mit Anordnung von Sofortvollzug zugewiesenen Menschen [1] untergekommen. Die 27 Flüchtlinge, die seit Spätsommer 2017 der Gemeinde zugewiesen worden waren, sind immer noch mehrheitlich in Gundelfingen untergebracht. Diese Entscheidung war von Bürgermeister Walz in großer Not gefällt worden, nämlich nachdem der Landkreis die ersten Flüchtlinge kurzfristig vor dem Gemeindehaus Heuweiler ausgesetzt hatte. Dem Gundelfinger Gemeinderat gebührt großer Dank, dass diese Entscheidung im Nachhinein mitgetragen wurde wodurch Heuweiler Zeit bekam, eine tragbare Lösungen zu suchen.

URSPRÜNGLICHER PLAN: FLÜCHTLINGSUNTERKUNFT AM KIRCHBERG
Da Heuweiler über keine gemeindeeigenen Wohngebäude verfügt, und da es der Gemeinde bis April 2018 überhaupt nicht gelungen war, Wohnraum für Flüchtlinge in Heuweiler anzumieten, hatte der Gemeinderat in der Sitzung am 16.Mai 2018 einen Grundsatzbeschluss zum Bau eines 3-geschossigen Gebäudes mit einer Grundfläche von ca. 240 qm zur Flüchtlingsunterbringung auf einem gemeindeeigenen Grundstück am Kirchberg in unmittelbarer Nähe zum Friedhof und zum Kindergarten beschlossen [2,3]. Es gab zu diesem Zeitpunkt das Angebot einer Baugenossenschaft, ein solches Gebäude zu finanzieren und zu bauen, und dann langfristig an die Gemeinde zu vermieten. Die Gemeinde hätte sich an der Genossenschaft beteiligt und für das zur-Verfügung-stellen des Grundstücks eine jährliche Pacht erhalten. In diesem Gebäude hätten bis zu 46 Personen Platz finden können. Der Plan war von Bürgermeister Walz bereits in der Einwohnerversammlung am 10. November 2017 im Grundsatz vorgestellt worden.

BÜRGER VERLANGEN EINWOHNERVERSAMMLUNG
Gegen den Standort formierte sich Widerstand in der Bevölkerung. Eine Unterschriftensammlung, die das erneute Einberufen einer Einwohnerversammlung zum Ziel hatte, erreichte mit Leichtigkeit das erforderliche Quorum nach §20a Satz 2 der Gemeindeordnung [4,5]. Der Gemeinderat beschloss eine erneute Einwohnerversammlung. Im Vorfeld wurde zum wiederholten mal nach Alternativen zur Bebauung am Kirchberg gesucht. Dabei stellte sich heraus, dass unter bestimmten Umständen ein Grundstück am südwestlichen Ortseingang aus Sicht des Fachbereichsleiters für Baurecht und Denkmalschutz im Landratsamt, Johannes Grunau, eben doch in Frage käme. Dieses Grundstück war der Gemeinde bereits Anfang des Jahres angeboten worden. In einer Anfrage hatte die Gemeinde jedoch zunächst eine andere Auskunft aus der Behörde erhalten.

KONSTRUKTIVE VORSCHLÄGE IN DER EINWOHNERVERSAMMLUNG
In der Einwohnerversammlung am 25. Juli ging es einem großen Teil der Anwesenden in erster Linie um die Frage, inwieweit ausschließlich der anfänglich vorgesehene Standort auf dem Kirchberg für eine Flüchtlingsunterkunft  in Frage kam. Denn geschätzt mehr als 70% der Einwohner Heuweilers lehnten diesen Standort ab. Insofern war es ein Segen, als der Bürgermeister  in der Versammlung weitere in Frage kommende Standorte auf der sehr kleinen Gemarkung Heuweilers aufzeigte und der Fachbereichsleiter im Landratsamt jeden nach und nach begutachtete. Und als der alternative Standort am südwestlichen Ortseingang als genehmigungsfähig bezeichnet worden war, hatten alle das Gefühl, dass es so weiter gehen könne und dass das Gelände auf dem Kirchberg weiterhin bleiben werde wie es ist. Ein Stimmungsbild bei der Bürgerversammlung [6,7] und eine Umfrage bei den Gemeinderäten [8] legten in der Tat nahe, dass der neue Standort konsensfähig sein könnte. Der Plan war, dass das Gebäude unter Einhaltung der im Bestand vorgegebenen Bauflucht unter Ausnutzen der Übergangsvorschrift des §246 Abs. 9 BauGB [9] erstellt werden sollte. Auch der Regionalverband Südlicher Oberrhein hatte signalisiert, dass er, solange sich die Bebauung nicht weiter nach Westen ausdehnt, noch keinen Zielkonflikt mit dem angrenzenden regionalen Grünzug sehe.

OFFENE FRAGEN
Nicht zur Sprache gekommen war, dass die Planungen an dieser Stelle nach wie vor von einer dreigeschossigen Bebauung in unveränderter Kubatur (Grundfläche von ca. 240 qm) ausgingen.
Der Bebauungsplan „Weidweg“ von 1992, in dessen Gültigkeitsbereich das Bauvorhaben liegt [10] sieht hingegen vor, dass maximal zwei Vollgeschosse und maximal zwei Wohneinheiten pro Gebäude gebaut werden dürfen. Der Bebauungsplan verfolgt das Ziel, dass die Bebauung für „die süd-westliche Ortseingangssituation, insbesondere die Ansicht Heuweilers, unter Berücksichtigung der Bauformen der Umgebungsbebauung einen städtebaulichen klaren Abschluß“ erzeugen solle. Die Grünflächen, die durch eine Flüchtlingsunterkunft überbaut würden, sind ausdrücklich im Bebauungsplan erwähnt. Sie sollen „am süd-westlichen Rand der Bebauung als Übergang zur landwirtschaftlichen Freifläche einen Grüngürtel“ bilden, so „dass die Ortseingangssituation von der freien landwirtschaftlichen Fläche einen harmonischen Übergang zur besiedelten Struktur des Ortes Heuweiler erhält“. Der geplante Neubau liegt im Bereich dieser Grünflächen und damit keinesfalls nur im Außenbereich. Weiterhin sieht der Bebauungsplan genau an der Stelle des geplanten neuen Gebäudes einen Gewässerschutzstreifen vor, der im „Interesse einer landschaftsschonenden und die Belange des Naturschutz berücksichtigenden Bebauungsplanung (…) von jeglicher Bebauung freizuhalten“ ist. Die Gemeinde hatte das im Bebauungsplan „Weidweg“ festgelegte Ziel, diesen Bereich „im Hinblick auf die Wahrung des Natur- und Landschaftsschutzes, des Bodenschutzes und zur Erhaltung der natürlichen Eigenart der Landschaft sowie des Orts- und Landschaftsbilds“ von Bebauung freizuhalten im Jahre 2005 schriftlich bekräftigt. Als im Jahr 2013 in diesem Bereich vom Regionalverband Südlicher Oberrhein ein Vorranggebiet für Naturschutz und Landschaftspflege eingerichtet werden sollte[11], stimmte die Gemeinde diesen Plänen zu, was ein weiterer Hinweis ist, dass die Planungen von 1992 noch immer Bestand haben.

Von den Anwohnern wurden nun mit Berufung auf diesen Bebauungsplan rechtliche Bedenken vorgetragen und darauf hingewiesen, dass in vergleichbaren Situationen bereits Urteile vorlägen [12] und dass daher eine Bebauung, zumindest in der geplanten Weise, nicht zulässig sei.

BESCHLUSS DER GEMEINDERATS
In der Sitzung des Gemeinderates am 13.September 2018 stand unter TOP 5: „Bau eines Gebäudes zur Unterbringung von Flüchtlingen und Obdachlosen“. In der Beratungsvorlage [13] wurde die Vorgeschichte noch einmal beschrieben und darauf hingewiesen, dass „es keinen Standort geben wird, der von allen Bürgerinnen und Bürgern von Heuweiler befürwortet werden wird“. Es wurde auf die gesetzliche Verpflichtung zur Aufnahme von Flüchtlingen und Obdachlosen hingewiesen, auf die angespannte Wohnraumsituation in Gundelfingen, auf den zeitlichen Vorlauf für die Erstellung eines Gebäudes und auf die Gefahr, dass die Genossenschaft, die mit der Planung und Realisierung beauftragt werden sollte, abspringen könnte. Der Beschlussvorschlag lautete:“Der Gemeinderat beschließt, die Baugenossenschaft (…) mit weiteren Planungs- und Verfahrensschritten zu beauftragen.“

Bevor es zur Beratung kam, wurden unter TOP 3 „Fragemöglichkeit für Zuhörer“ sehr viele Fragen von Bürgern der Gemeinde zu dem Thema Flüchtlinge gestellt. Anwohner brachten ihre Argumente, die sie bisher gegenüber dem Bürgermeister und gegenüber Gemeinderäten bereits mündlich oder schriftlich geäußert hatten, öffentlich vor. Die Initiatoren der Bürgerversammlung meldeten sich ebenfalls zu Wort. Sie äußerten ihr Bedauern, dass ein weiteres Flugblatt, welches Sie den Gundelfinger Nachrichten beigelegt hatten, die Bürger in Heuweiler noch nicht erreicht hatte, weil das Blatt offenbar verspätet ausgetragen wurde. Es handelt sich um einen Aufruf an die Bevölkerung, sich auf die Suche nach „Wohnraum für Menschen auf der Flucht in Heuweiler“ gestaltend einzubringen[14]. Konkret werden die Bürger aufgerufen, sich in drei Arbeitsgruppen einzubringen: (1) Neubau, Bestandsbauten zur Flüchtlingsunterbringung und Finanzierungsmodelle, (2) Vermietung an Flüchtlinge in Heuweiler und (3)Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden. Im Rahmen der Fragemöglichkeit für Zuhörer baten die Initiatoren den Rat ausdrücklich darum, nicht sofort Fakten zu schaffen, da diese die einer Bürgerbeteiligung im Wege stehen würden.

Die Gemeinderäte wollten in dieser Situation der Beschlussempfehlung nicht folgen[15,16]. Ein Beschluss würde bedeuten, dass nicht näher bezifferte externe Planungskosten für ein mögliches weiteres Vorgehen an diesem Standort entstehen würden, was den Druck auf den Gemeinderat weiter erhöhen würde. Die Tatsache, dass eine Baugenossenschaft auf eine Entscheidung dränge, dürfe kein Kriterium für die gewählten Vertreter der Gemeinde sein. Das in Frage kommende Grundstück gehöre in großen Teilen noch gar nicht der Gemeinde Heuweiler. Es werde der zweite Schritt vor dem ersten gemacht. Ein Bauantrag, den die Gemeinde nach Abschluss der Planungen stellen müsste, würde möglicherweise bedeuten, dass die dazu notwendige Befreiung vom Bebauungsplan diesen im Endeffekt komplett außer Kraft setzten könnte. Dies widerspreche den jahrzehntelangen Planungen der Gemeinde. Gleichzeitig wurde in Frage gestellt, ob bei genauer Prüfung der Rechtslage an dieser Stelle überhaupt eine Baugenehmigung für ein Bauwerk in der vorgesehenen Größenordnung erteilt werden dürfe. Es wurde befürchtet. dass der vorliegende, verbindliche Bebauungsplan, der einen Teil der zu bebauenden Fläche einbezieht, von den Anliegern berechtigterweise herangezogen werden würde und dass daher mit (möglicherweise völlig berechtigten) Klagen gegen das Vorhaben zu rechnen sei. Naturschutzrechtliche Fragen seien noch völlig offen. Es sei notwendig, eine Unterkunft zu erstellen, welche zu Heuweiler passe. Gemeinsam mit den Bedenken wurde aber auch der Wunsch geäußert, die Standortsuche auch unter dem Aspekt der Menschlichkeit zu betrachten. Im Hinblick auf eine Integration der Menschen sei ein einziger Standort mit 40 oder mehr Flüchtlingen nicht besonders geeignet. Besser seien auf mehrere Standorte verteile Wohnungen. Mehrfach wurde der Wunsch geäußert, die Entscheidung zu vertagen.

Der Kompromissvorschlag, auf den sich der Gemeinderat einigen konnte, kam von Bürgermeister Walz: er schlug vor, dass eine formale Bauvoranfrage durch die Gemeinde gestellt werden solle [17]. Er wies aber gleichzeitig darauf hin, dass aufgrund der Überlastung der Baurechtsbehörde solche Anfragen mehrere Monate dauern könnten. Gleichzeitig wurde der Vorschlag begrüßt, dass sich Arbeitsgruppen unter Einbeziehung der Bürger bilden sollten, die bei der Suche nach Lösungen unterstützen könnten.

WELCHE FLÜCHTLINGSUNTERKUNFT PASST ZU HEUWEILER?
Das Thema Flüchtlinge in Heuweiler ist jetzt endlich bei der Bevölkerung angekommen. Die Gründe, warum dies so lange gedauert hat, liegen länger zurück. Eine wesentliche Ursache ist wohl die Entscheidung des ehemaligen Bürgermeisters Dr. Bentler, bei der letzten großen Flüchtlingsankunft und Asyldebatte in Deutschland in den neunziger Jahren die für Heuweiler zugeteilten Flüchtlinge (damals ging es in der Summe um sieben Personen, die nach und nach zugewiesen worden waren) in Gundelfingen unterzubringen, ohne dass das Thema damals öffentlich behandelt worden war. Nach Inkrafttreten des Dubliner Übereinkommens erfolgten dann bis zur aktuellen sogenannten „Flüchtlingskrise“ keine Zuweisungen mehr nach Heuweiler. Als es 2015 erneut darum ging, Flüchtlinge in Heuweiler unterzubringen, wurden wiederum alle eigenen Vorschläge zunächst sehr zögerlich und nicht unter Einbeziehung der Öffentlichkeit behandelt, so dass sich über die Jahre bei der Bevölkerung in Heuweiler der Eindruck einnistete, diese Aufgabe werde Heuweiler schon nicht betreffen.
Die Aufnahme von Flüchtlingen in Heuweiler kann in der momentan erkennbaren Größenordnung nur gut gehen, wenn die Bevölkerung Gelegenheit hat und Zeit bekommt, beteiligt zu sein. Nur dann wird es integrierende Akzeptanz für die hinzukommenden Menschen in Heuweiler geben können. Derzeit sind 28 Personen nach Heuweiler zugewiesen. Davon wohnt ein Ehepaar in Heuweiler. Alle anderen sind in Gundelfingen untergebracht. Noch im Asylverfahren sind 5 Männer, 1 Frau und 1 Kind mit Herkunft aus Syrien, Gambia, Kamerun und Algerien. Für 12 Männer, 3 Frauen und 6 Kinder, zumeist aus Syrien, gibt es bereits eine Anerkennung bzw. subsidiären Schutz. In diesem Jahr wird mit 12 weiteren Personen im Rahmen des Familiennachzugs gerechnet. Es zeichnet sich ab, dass die Unterbringung aller dieser Menschen in einem einzigen großen Haus die ungünstigste Lösung für Heuweiler wäre. Die dort untergebrachten Personen würden alleine aufgrund der fehlenden Akzeptanz des Gebäudes im Dorf zu Außenseitern. Dem vernehmen nach hat die Baugenossenschaft der Gemeinde inzwischen abgesagt. Einfacher werden die Planungen dadurch für die Gemeinde nicht. Nun muss es darum gehen, möglichst schnell dezentrale Lösungen zu finden, sei es durch Miete, Kauf oder Neubau. Unattraktive Grundstücke, zum Beispiel in Industriegebieten oder neben einer Schnellstraße, die für die Gemeinde günstig zu erwerben wären, gibt es in Heuweiler nicht. Heuweiler kann und wird sich aber der Pflichtaufgabe nicht entziehen. Es gibt eine gewisse Hoffnung in die zu bildenden Arbeitsgruppen. Dennoch ist völlig offen, zu welchen Ergebnissen diese kommen können. Letzten Endes kann die Erfüllung von Pflichtaufgaben aber auch nicht in die Hände von Ehrenamtlichen übertragen werden! Es gibt aber auch erste Ideen, wie sich eine Lösung in Heuweiler entwickeln könnte. Dafür braucht es aber viele einzelne Menschen, die daran mitwirken. Hauptamtlich und zeitlich verfügbar ist in der Verwaltung in Heuweiler derzeit niemand außer dem Bürgermeister. Auch dies erleichtert der Gemeinde nicht, schnell zu Ergebnissen zu kommen.
Die Finanzierungsmöglichkeiten werden in den Fokus treten müssen. Darf die Gemeinde überhaupt einen Kredit tätigen, wie er für den Kauf eines Gebäudes in Heuweiler notwendig sein würde? Ist es wirklich so, dass für einen solchen Fall keinerlei Mittel des Bundes oder des Landes zur Verfügung stehen würden? Warum gilt für Heuweiler trotz hoher Grundstücks- und Mietpreise nur die Mietstufe 3 , während für die unmittelbaren Nachbargemeinden Gundelfingen und Denzlingen die Mietstufe 5 gilt[18]? Welche Möglichkeiten hat Heuweiler, darauf hinzuwirken, dass die Gemeinde nicht an den finanziellen Lasten zerbricht?
Herr Culmsee hatte mit seinen Ausführungen [1] recht: Das Thema Migration wird ein Dauerthema für Heuweiler bleiben.

POLITISCHE LEHREN
Viele Fragen sind nicht geklärt. Die Bürger erwarten zurecht, dass die Probleme offen angesprochen werden und ehrlich nach Lösungen gesucht wird. Nur wenn erkennbar wird, dass alle politischen Ebenen sich wirklich ernsthaft bemühen, kann die Politik das Vertrauen der Bürger halten bzw. zurückgewinnen. Die Probleme dürfen nicht ausschließlich den bürokratischen Apparaten der Republik überlassen werden, sondern sie müssen politisch gelöst werden. Und nicht zu vergessen: Lösungen müssen den Bürgern vermittelt werden. Dies ist die wahre Aufgabe der demokratischen Kräfte im Land. In einer kleinen Gemeinde wie Heuweiler, in der jeder jeden kennt und in der auch die Gemeinderäte sehr persönlich wahrgenommen werden, weshalb etablierte Parteien erst gar nicht zur Gemeinderatswahl antreten, werden Probleme möglicherweise deutlicher sichtbar als in größeren Gemeinden. Andererseits liegt vielleicht gerade hierin eine Chance, zu zeigen dass es der Demokratie ernst ist mit „wir schaffen das“.

UPDATE Dezember 2018: Der Gemeinde Heuweiler ist es gelungen, ein Haus zur Unterbringung von Flüchtlingen anzumieten[19]. Weitere Mietangebote liegen vor. Engagierte Bürger werben im Dorf darum, dass weitere Angebote an die Gemeinde gemacht werden [20].

Verlinkte Quellen

[1] Ausführungen des stellvertretenden Sozialdezernent des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald über die Verteilung von Flüchtlingen. Aus der öffentlichen Sitzung des Gemeinderates am 16.5.2018 unter neueliste-heuweiler.de

[2] Neubau am Kirchberg. Aus der öffentlichen Sitzung des Gemeinderates am 16.5.2018 unter neueliste-heuweiler.de

[3] Heuweiler baut für Flüchtlinge. Bericht der Badischen Zeitung vom 17.5.2018

[4] Zum Thema Flüchtlingsunterbringung in Heuweiler . Flugblatt verteilt in Heuweiler im April 2018 und begleitende Unterschriftensammlung .

[5] Ankündigung Einwohnerversammlung. Gundelfinger Nachrichten 2316 vom 12.7.2018

[6] Heuweiler Bürger sind gegen Flüchtlingsunterkunft am Kirchberg. Bericht der Badischen Zeitung vom 27.07.2018

[7] Einwohnerversammlung mit konstruktiver Lösung. Homepage der Gemeinde Heuweiler, abgerufen am 23.09.2018 (alternativ in den GN 2319 vom 2.8.2018 nachzulesen)

[8] Viele Räte offen für Alternative. Bericht der Badischen Zeitung vom 09.08.2018

[9] §246 Abs. 9 BauGB auf „www.gesetze-im-internet.de“

[10] Bebauungsplan Weidweg von 1992 (Vorentwurf) und offizielle Plankarte von der Seite des Landkreises

[11] Planungen des Regionalverbands Südlicher Oberrhein um Heuweiler

[12] VG Ansbach, Urteil v. 29.06.2017 – AN 3 K 16.00874. Planungsrechtliche Unzulässigkeit der Errichtung einer Asylunterkunft im Außenbereich (http://www.gesetze-bayern.de)

[13] Bau eines Gebäudes zur Unterbringung von Flüchtlingen und Obdachlosen. Beratungsvorlage zu TOP 5 der öffentlichen Sitzung des Gemeinderates am 13.09.2018, veröffentlicht gem. §41b Abs. 4 GemO BW

[14] Aufruf an die Bürger zur Beteiligung an der Entwicklung des Dorfes, konkret der Flüchtlingsunterbringung in Heuweiler. Beilage zu den Gundelfinger Nachrichten 2325 vom 13.September 2018

[15] Entscheidung zu Flüchtlingen vertagt. Bericht der Badischen Zeitung vom 15.09.2018

[16] Heuweiler Quo vadis?. Bericht in den Gundelfinger Nachrichten 2326 vom 20.09.2018 (Seite 2)

[17] Bauvoranfrage zum möglichen Neubau einer Flüchtlingsunterkunft in Heuweiler, präsentiert in der öffentlichen Sitzung des Gemeinderats Heuweiler am 18.10.2018, veröffentlicht gem. §41b Abs. 4 GemO BW

[18] Mietstufen in Baden-Württemberg. Zur Verfügung gestellt vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Nukleare Sicherheit

[19] Heuweiler mietet Haus für Flüchtlinge an. Bericht auch der BZ vom 19.12.2018

[20] Flugblatt mit Aufruf zum Vermieten von Wohnungen, verteilt am 28. Dezember 2018

[21] Bauplanungsrecht in der Flüchtlingsunterbringung, vom Themenportal der Regierungspräsidien in Baden-Württemberg (gesehen am 20.12.2018)

Warum Heuweiler viel mehr Anschlussflüchtlinge aufnehmen muss, warum die Mieterstattungen durch den Landkreis die tatsächlichen Kosten nicht decken müssen und wer dafür verantwortlich ist. Subjektiver Bericht aus der öffentlichen Gemeinderatsitzung in Heuweiler vom 16.Mai 2018

Am 16. Mai erläuterte Herr Culmsee, der stellvertretende Sozialdezernent des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald in seiner Funktion als Leiter der staatlichen unteren Aufnahmebehörde in der öffentlichen Gemeinderatssitzung die Rahmenbedingungen, wie der Landkreis die Zuweisung von Flüchtlinge nach Heuweiler organisiert[1]:

Asylsuchende werden zunächst nach dem Königssteiner Schlüssel (gem. Einwohnerzahl und Steuerkraft) auf die Bundesländer aufgeteilt. Nach einem (kurzen) Aufenthalt in einer der Landeserstaufnahmestellen Baden-Württembergs werden die Menschen dann in  (entsprechend der Einwohnerzahl) auf die unteren Aufnahmebehörden der Städte und Landkreise zur vorläufigen Unterbringung weiterverteilt. Hier bleiben Asylsuchende bis zum Abschluss des Asylverfahrens, maximal jedoch für 2 Jahre (in Einzelfällen + 3 Monate, s. §9 FlüAG [2]). Danach werden die Menschen in die Kreisgemeinden zur Anschlussunterbringung verteilt. Da der Landkreis seit 2013 vermehrt Zuweisung von Asylsuchenden erhalten hat, erfolge die Verteilung regelhaft nach 24 Monaten, unabhängig davon, ob das Verfahren abgeschlossen ist oder nicht. Die Pflicht zur Flüchtlingsunterbrinung für die Gemeinde ergibt sich zur Abwehr der Obdachlosigkeit (Gefahrenabwehr) bei Zuweisung durch den Landkreis und stellt daher nach § 62 Abs. 4 S. 2 PolG eine Pflichtaufgabe der Gemeinde nach Weisung dar, die in die Zuständigkeit des Bürgermeisters als Ortspolizeibehörde fällt[3].
Der Landkreis hatte in der Vergangenheit bei der Verteilung der Flüchtlingen versucht, auf die Aufnahmekapazität und die Integrationsmöglichkeiten der Gemeinden Rücksicht zu nehmen. Dies hat insbesondere dazu geführt, dass kleinere Gemeinden wie Heuweiler in der Vergangenheit keine Zwangszuweisungen erhalten haben. Hierüber habe es früher einen landkreisübergreifenden Konsens gegeben.
Ende 2016 verlangten aber einige Bürgermeister eine Veränderung dieser Praxis. Da sich keine Einigkeit zwischen den Bürgermeistern des Landkreises herstellen ließ, lösten 11 den bis dahin geltenden Konsens auf. Solange es keinen neuen Konsens gibt (dieser kann gem. §2 Satz 2 der DVO FlüAG [4] nur einstimmig erfolgen), muss auf die gesetzlichen Vorgaben zurückgegriffen werden.
Diese besagen: Flüchtlinge werden gemäß des Verhältnisses der Gemeindebevölkerung zur Landesbevölkerung verteilt (§2 Satz 1 der DVO FlüAG [4]).

Wahlrecht bei der Zuweisung oder Ausnahmen würden seither keine mehr gewährt. Die Zuteilung erfolge durch Anordnung von Sofortvollzug und unter Androhung von disziplinarischen Maßnahmen gegen die Gemeinde. Auf diese Weise wurden zeitweise etwa 100 Personen pro Monat durch die Beamten des Landkreises verteilt. Seit 2015 habe es an die kreisangehörigen Gemeinden insgesamt 35 Informationsschreiben in dieser Sache gegeben.

Der Kreistag als gewähltes Gremium habe in dieser Sache kein Mitbestimmungsrecht; die politischen Vorgaben stammen aus dem Innenministerium Baden-Württemberg und dem Regierungspräsidium Freiburg (die politische Verantwortung liegt demnach alleine bei der Landesregierung und dem Innenminister).

Da es seit Sommer 2017 zu einem Rückgang der Flüchtlingszahlen (derzeit 10-20 /Monat) gekommen sei, und da das Land die Landkreisunterkünfte nur für 24 Monate finanziere, drohe eine „Fehlbelegung“ in den Landkreisunterkünften. Fehlbelegung liege etwa vor, wenn ein Flüchtling, der bereits einer Gemeinde zugewiesen sei, in der Landkreisunterkunft verbleibe (dies gilt wie gesagt unabhängig vom Stand des Verfahrens). Daher müsse der Landkreis die teuren, meist Kreditfinanzierten und vom Steuerzahler (durch die Kreisumlage der Gemeinden) zu tragenden Containerunterkünfte derzeit wieder zurückbauen. Hierzu bestehe aufgrund der Landesvorgaben eine „Pflicht“. Da das Land entsprechende Zahlungen an den Kreis nicht leiste, komme der Kreis unter Druck und müsse vorhandene Erstunterkünfte wieder abbauen und den Druck an die Gemeinden weitergeben [5]. Herr Culmsee fände diese Situation persönlich nicht unbedingt so gut, weil vielleicht in einem Jahr die entsprechenden Kapazitäten dann erneut aufgebaut werden müssten.

Warum muss nun Heuweiler deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen, als es dem o.g. Schlüssel entspricht?

Nach dem Verhältnis der Gemeindebevölkerung zur Landesbevölkerung müsste Heuweiler für 2013 1 Person, für 2014 2 Personen, für 2015 3 Personen, für 2016 4 Personen, für 2017 4 Personen und für 2018 2 Personen aufnehmen. Für 2019 wird derzeit von 3 Personen ausgegangen. Dies ergibt zusammen (incl. 2019) 19 Personen. Tatsächlich soll Heuweiler aber in etwa doppelt so viele Personen aufnehmen!

Dies liege daran, dass 25% der Belegung einer Landkreisunterkunft derjenigen Gemeinde, in der die Landkreisunterkunft steht, den jeweiligen Gemeinden zugerechnet werde (hierzu ist der Landkreis aufgrund §2 Satz 3 der DVO FlüAG berechtigt [4]). Insgesamt gebe es im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald 17 solcher Unterkünfte[6].
Zu berücksichtigen sei auch, dass nur solche Flüchtlinge mitgerechnet würden, die in einer von der Gemeinde angemieteten Wohnung leben. Sobald Flüchtlingeauf dem freien Wohnungsmarkt eine Wohnung gefunden haben, werden sie nicht mehr auf die Erfüllung der Quote angerechnet. Außerdem werde den Gemeinden auch diejenigen Menschen nicht angerechnet, die durch Familiennachzug in die Gemeinde gekommen sind. Für die Unterbringung dieser Menschen sei die Gemeinde jedoch zuständig.

Grundsätzlich bestehe die Möglichkeit der interkommunalen Zusammenarbeit bei der Flüchtlingsunterbringung; aber eine Veränderung der Zuweisungspraxis des Landkreises könne nur durch Konsens aller Gemeinden erreicht werden. Dieser läge nicht vor[7,8]. Im September 2018 wurde öffentlich, dass andere kleine Gemeinden des Landkreises wegen der Zuweisungspraxis Klagen gegen den Landkreis anstreben [11].

Die Finanzierung der Kosten, der den Gemeinden durch die Unterbringung entsteht, richte sich danach, was „angemessen“ sei. Die Kostensätze, um die es dabei gehe, würden „streitg ausefochten“. Heuweiler, das ja sehr ländlich geprägt sei und weder Infrastruktur noch vernünftigen ÖPNV habe, werde vom Landkreis in der Wohnrechtsstufe 3 geplant (zum Vergleich: Gundelfingen Wohnrechtstufe 5). (Die Höhe der Kosten, die die Unterbringung der Gemeinde macht, spielt bei der Frage der Angemessenheit keine Rolle).

Außerdem erläutert Herr Culmsee noch, dass aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Instabilität in Staaten wie Türkei, Syrien, Saudi-Arabien, Lybien oder in den Ländern Schwarzafrikas damit zu rechnen sei, dass die Situation von 2015 kein Einmalereignis bleiben wird und dass das Thema Migration ein Dauerthema für Heuweiler bleiben werde.

 

 

Für die Neue Liste

Claudius Stahl

 

Verlinkte Quellen

1.) Flüchtlingsunterbringung erhitzt die Gemüter. Bericht der BZ vom 19.05.2018

2.) Flüchtlingsaufnahmegesetz BW

3.) Siehe Mareike Ludwig: Anschlussunterbringung in angemieteten Wohnungen – ein Leitfaden für baden-württembergische Kommunen. Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg 2016 (Bachelorarbeit)

4.) Durchführungsverordnung (DVO FlüAG, GBl. 2014, Seite 59) zum Flüchtlingsaufnahmegesetz BW sowie dessen Begründung

5.) Wie das Vertrauen der Bürger in die Flüchtlingspolitik zwischen dem Landkreis und dem Land verspielt wurde: Vom Land gegängelt? „Der Sonntag“ vom So, 08. Juli 2018

6.) Flüchtlingsunterkünfte des Landkreises (Stand 12/16)

7.) „Alle Anschlussflüchtlinge nach Merdingen und Heuweiler“ Bericht der BZ vom 25.01.2016

8.) Neues System regelt, wie Flüchtlinge im Landkreis verteilt werden sollen. Bericht der BZ vom 16.12.2016

9.) Wie werden Flüchtlinge verteilt? Bericht der BZ vom 07.07.2017

10.) ARD-Kommentator Malte Pieper fordert Rücktritt von Angela Merkel ARD, 25.06.2018 (Audiodatei)

11.) Eichstetten und March bereiten Klage gegen Flüchtlingszuweisung vor. Bericht der BZ vom 18.09.2018