Empfehlungen aus der Haushaltsbefragung. Teil 7: zur Verbesserung des Verhältnisses zwischen Bürger*innen auf der einen und der politischen Gemeinde, dem Staat sowie der Kirche und Kirchengemeinde auf der anderen Seite

Der Anteil von „nur“ 29% der befragten Haushalte, die ihre Rolle in der Gemeinde als aktiv mitentscheiden/-gestaltend sehen, ist angesichts der Tatsache, dass schon knapp 1% der Bevölkerung im Gemeinderat vertreten ist, und angesichts der hohen Quote von mehr als 2 Vereinsmitgliedschaften je Haushalt sowie der hohen Quote von Haushalten mit Mitgliedern in ehrenamtlicher Tätigkeit (42% der Haushalte) verwunderlich. Möglicherweise erleben diese Haushalte bzw. ihre Mitglieder das gar nicht als aktiv mitgestaltend, obwohl es de facto eine solche Rolle ist. Auch wenn eine Haushaltsbefragung wohl nicht die idealste Methode ist, ein letztlich individuelles subjektives Gefühl wie die Einschätzung der eigenen politischen Rolle ist, zeigt sich auch an dem oben diskutierten Missverhältnis, dass diese politischen und ehrenamtlichen Tätigkeiten eben oft nicht als ein aktives Mitentscheidend und -gestalten erlebt werden. Man fühlt sich doch oft eher als „kleines Rädchen in einem großen Getriebe“, und nicht als eine-/n, die/der einen wichtigen Beitrag zu einem kollektiven Geschehen leistet. Zu diesem Gefühl mag beitragen, dass die Einzelleistung oft nur wenig wahrnehmbar, kaum messbar ist insbesondere hinsichtlich der gewünschten Effekte, und damit für einen selbst wie für das Kollektiv, in unserem Falle die Gemeinde, kaum sichtbar wird. Dazu Empfehlungen zu formulieren fällt schwer. Eine wäre, sich selbst mehr zu ermutigen, stärken, auch selbst wertzuschätzen. Dazu müssten aber auch die öffentliche Ermutigung, Bestätigung und wohl auch Belobigung einzelner wie auch ganzer Gemeinschaften kommen, wie die der Vereine. Letztere tun das auch sicherlich im Rahmen ihrer Selbstverwaltung, Versammlungen und ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Dazu wäre aber auch die Presse aufgerufen, sowie die politische und kirchliche Gemeinde in Form von jährlichen Benennungen/Ehrungen von Einzelnen der Mitglieder bzw. eines Vereins als Ganzen. Warum nicht jeweils für ein Jahr das Jahr der Feuerwehr, der Malteser oder der Landfrauen in Heuweiler zu erklären, so dass jeder Verein mit seinem wichtigen Beitrag für das Dorf einmal im Fokus steht?

Auch eine solche Haushaltsbefragung wie die hier vorgelegte kann dazu beitragen, die Summe kleiner individueller Beiträge einzelner Haushalte und ihrer Mitglieder sowie der vorhandenen Vereine und ihrer Mitglieder zum Dorfleben sichtbarer zu machen.

Obwohl die Zufriedenheit der befragten Haushalte zur Informationspolitik der öffentlichen Einrichtungen, insbesondere der politischen Gemeinde und des Rathauses, und zur Qualität der Informationen von diesen Einrichtungen insgesamt recht hoch ist, zu der sicherlich die „Gundelfinger Nachrichten“, aber auch die Webseiten der Gemeinde Heuweiler bzw. auch der Partnergemeinde Gundelfingen beitragen, wurden doch in der Freitext-Möglichkeit im Fragebogen eine große Menge an Anregungen zur Verbesserung der Informationslage gemacht. An dieser Stelle seien weitere Verbesserungsmöglichkeiten aufgelistet:

  • Übertragung des öffentlichen Teils der Gemeinderatssitzungen im Internet über Video-Konferenz-Portale. Die Erfahrungen aus den letzten fast zwei Jahren wegen der Pandemie damit sind überwiegend positiv und die technische, organisatorische und finanzielle Machbarkeit solcher Angebote hat sich herausgestellt. Diese Video-Dateien könnten auch für eine gewisse Zeit auf den Servern der Gemeinde(-n) gespeichert werden, falls die Rechtslage das erlaubt, und damit einen späteren Zugriff ermöglichen.
  • Übertragung bzw. Aufzeichnung auch anderer Veranstaltungen des öffentlichen Lebens wie Sport-, Fasnet-, Musik- und Theaterveranstaltungen ebenfalls im Internet.
  • Mehr Veröffentlichung von schriftlichen Dokumenten, wie z. B. Ergebnisprotokolle der Gemeinderatssitzungen, eventuell auch von Sitzungen des gemeinsamen Ausschusses der Gemeinderäte Gundelfingen und Heuweiler.

Die Kirche-/ngemeinde, und damit ist v. a. die katholische in Heuweiler gemeint, wird „nur“ (noch) von 63% der befragten Haushalte als bedeutend für den sozialen Zusammenhalt und das öffentliche Leben angesehen. Das mag im Vergleich zu städtischen oder großstädtischen Regionen noch hoch sein, für den Vergleich mit anderen ländlichen Gemeinden liegen keine Informationen vor. Im Zusammenhang mit der niedrigen Inanspruchnahme religiöser/spiritueller Angebote und der geringen Meldung an zusätzlichem Bedarf solcher Angebote in Heuweiler muss das die Gemeinden der beiden großen christlichen Gemeinschaften bedenklich stimmen, zumal das Muster der Häufigkeitsverteilung in den Befragungsergebnisse gleich ist: je „jünger“ die befragten Haushalte, desto geringer die Inanspruchnahme, desto geringer der zusätzlich angemeldete Bedarf, und desto niedriger die Zustimmungsraten zur Bedeutung der Kirche/Kirchengemeinde für den sozialen Zusammenhalt im Dorf. Vorgeschlagene Maßnahmen:

  • Übertragung, Aufzeichnung von kirchlichen Veranstaltungen wie Gottesdienste, Andachten u. ä., wie sie jetzt zu Corona-Zeiten schon praktiziert wurden/werden.
  • Aufgreifen von Themen im Rahmen der kirchlichen/konfessionellen Selbstreflexion, B. der Rolle von Laien in der Kirche, von Frauen in Kirchenämtern und der Rolle der Kirchen/Konfessionen insgesamt in einer sich individualisierenden und pluralisierenden Gesellschaft.
  • Vielleicht auch das Thematisieren der Zusammenarbeit zwischen kirchlicher und politischer Gemeinde, z.B. bei der Kinderbetreuung, der Jugendarbeit, der Altenarbeit und vielen anderen Aufgaben
  • Die Verdeutlichung der Tatsache, dass viele Vereine/vereinsähnliche Gemeinschaften einen kirchlich-konfessionellen Ursprung haben, so z.B. die Malteser, die Deutschen Jugend Kraft (DJK), speziell in Heuweiler der sozialcaritative Förderverein St. Remigius, der Kirchenchor, das Bildungswerk, und wenn man so will, auch ein Fasnetverein wie die Leheneck-Bestien.
  • Auch der Bezug der beiden christlichen Kirchen zu den großen Wohlfahrtsverbänden Caritas und Diakonie dürfte hin und wieder mehr ins Bewusstsein zu rücken sein, z.B. die Trägerschaft der Kirchlichen Sozialstation nördlicher Breisgau (ökumenisch) durch die örtlichen katholischen und evangelischen Kirchengemeinden. Ähnliches gilt für die Kirchliche Nachbarschaftshilfe Gundelfingen und Wildtal, die auch in Heuweiler tätig ist. So könnte das Kursangebote der Sozialstation für pflegende Angehörige auch in Heuweiler stattfinden.

Die Zuordnung von Verantwortung für hilfe- und pflegebedürftige Menschen an Personen/-gruppen und Institutionen durch die befragten Haushalte ergab insgesamt keine Überraschungen, also keine großen Abweichungen von Ergebnissen ähnlicher Forschungsprojekte/Befragungen. Dass die eigenen Angehörigen und die (betroffenen) Bürger*innen selbst an erste Stelle der Verantwortungshierarchie gestellt wurden, ist ein gutes Ergebnis, da keine öffentliche Organisation/Institution oder das weitere soziale Umfeld die Verantwortung jedes/-r Einzelnen für einen gelingendes Leben und Älter werden ersetzen kann, ja sollte. Dennoch sind die in dieser Hierarchie nachrangig genannten Institutionen wie der Staat und die politische Kommune sowie die Kirchen-/gemeinde nicht aus ihrer Verantwortung zu entlassen, sondern im Gegenteil zur aktiven Übernahme der Gestaltung von förderlichen Rahmenbedingungen bei der Bewältigung von Hilfe-/Pflegebedürftigkeit durch die Betroffenen, ihre Angehörigen sowie ihres weiteren sozialen Umfelds aufgerufen:

  • Durch die Trägerschaft und Finanzierung geeigneter Einrichtungen und Dienste, z.B. eines Ablegers der kirchlichen Nachbarschaftshilfe Gundelfingen/Wildtal in Heuweiler
  • Durch die Förderung der Bekanntheit von Beratungsangeboten für ältere Menschen und ihre Angehörigen zu Fragen und Maßnahmen im Bereich Wohnungsanpassung, zu Teilhabeangeboten und zu Angeboten bei Pflegebedürftigkeit

Heuweiler, im Dezember 2021

Otmar Maas und Burkhard Werner