Mobil, immobil und die Immobilie – Gemeinsam älter werden im Dorf. Empfehlungen aus der zur Haushaltsbefragung der Kath. Hochschule Freiburg in Heuweiler.
Bei diesem 5.Teil geht es eher um eine Beurteilung der Ergebnisse denn um Ableitung von Empfehlung daraus. Die 10 Vereine bzw. vereinsähnlichen Gemeinschaften sind in Heuweiler gut bekannt mit Ausnahme des Sozialcaritativen Fördervereins St. Remigius, der in jüngeren Haushalten weniger, und nur in den älteren mit ca. 70% der entsprechenden Haushalte bekannt ist. Auch die Mitglieder des zuletzt genannten gehören mehrheitlich zu älteren Menschen, so dass hier, das weiß aber der Verein selbst aber auch, durchaus unter jüngeren Erwachsenen und deren Haushalte Mitglieder neu geworben werden sollten, um seinen Bekanntheitsgrad auch dadurch zu erweitern und über seine Zwecke zu informieren. Außer der DJK, der Feuerwehr und den Malteser verfügen die anderen Vereine/Gemeinschaften über keine eigenen Räumlichkeiten. Sie sind deshalb gezwungen, dafür andere Örtlichkeiten, insbesondere das Rathaus, die Kirchberghalle und das Schulgebäude zu nutzen. Angesichts der großen Bedeutung aller Vereine für die Dorfgemeinschaft sollte die derzeitige Regelung, den im Ort ansässigen Vereinen eine Pauschalförderung zu gewähren, im Gegenzug jedoch Gebühren für die etwaige Nutzung von gemeideeigenen Einrichtungen zu erheben. Würde die Nutzung kostenlos gewährt, könnte möglicherweise jeder/jeder Verein das für sich beanspruchen. Die Gemeinde Heuweiler erhält einen hohen Mehrwert für die Lebensqualität der Einwohner*innen durch die vergleichsweise ausgeprägte Vereinsarbeit im Ort.
Die von den befragten Haushalten genannten zusätzlichen Bedarfe für Teilhabe-Angebote stehen in folgender Ordnung (nach Häufigkeit ihrer Nennungen in der Haushaltsbefragung):
- Pflege-Angeboten und sozialer Unterstützung.
- Weiter Sportangebote
- Gesundheitsangebote
- Bildungsangebote
- Kunst- und Kreativ-Angebote
- Musik
- Theater
- Angebote im religiösen und spirituellen Bereich
Angebote der Pflege bzw. zur Hilfe von Menschen mit entsprechendem Bedarf müssen (fast) alle aus Nachbargemeinden „importiert“ werden. Deren Anbieter sollten umfassende Unterstützung von der politischen und den beiden kirchlichen Gemeinden erhalten. Gerade auch das Thema „Nachbarschaftshilfe“ ist ein lang im Dorf vernachlässigtes. Hier könnten eventuell Ableger von Anbietern der Nachbargemeinden im Dorf entstehen, zumal die Verwaltungsgemeinschaft Gundelfingen-Heuweiler schon Kooperationsstrukturen seit nunmehr 50 Jahren vorlebt.
Dass zusätzliche Angebote im religiösen und spirituellen Bereich hier an letzter Stelle stehen, zumal sie sich auch beim Nutzungsgrad eher im Mittelfeld finden, muss die beiden christlichen Gemeinden, die katholische und die aus einer Nachbargemeinde mitversorgte evangelische Kirchengemeinde in Heuweiler nachdenklich stimmen. Die Inanspruchnahme sowie die Bedarfsmeldungen sind zudem v.a. in den Haushalten mit älteren bzw. hochaltrigen Mitgliedern (noch) relativ häufig, im Gegensatz zu den „jüngeren“. Das lässt den Schluss zu, dass jüngere Haushalte, wenn sie bzw. ihre Mitglieder dann ins höhere Alter kommen, u.U. auch nicht (mehr) den Weg (zurück)finden, nicht (mehr) Angebote dieser Art in Anspruch nehmen bzw. sich dann auch nicht kirchengemeindlich engagieren. Die katholische Pfarrgemeinde als zahlenmäßig größte religiöse Gemeinschaft im Ort hat hier möglicherweise versäumt, die in der großen Öffentlichkeit diskutierten Themen wie z.B. „mehr Frauen in Kirchenämtern und -rollen“, Stichwort „Maria 2.0“, oder auch die unzureichende Aufarbeitung des sexuellen Missbrauch, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, in unserer Gesellschaft, sei es im Angehörigenkreis oder Verwandtschaftsumfeld, in Schule, Sportvereinen oder auch in den Kirchen/kirchlichen Einrichtungen, aufzugreifen.
Heuweiler wird durch die tatsächliche, zukünftig noch stärker zu erwartende Zunahme der Anzahl von Menschen mit Migrationshintergrund auch in dieser Hinsicht „bunter“. 2019 lebten 85 „ausländische“ Mitbürger*innen im Dorf, eine Teilgruppe der Menschen mit Migrationshintergrund. Dies entspricht einem Anteil von 7,5% der Bevölkerung, erstaunlich hoch für ein Dorf – wenn auch unterhalb des Landesdurchschnitts Baden-Württembergs (15,9%, Stat. Landesamt BW, Kommunalstatistik Heuweiler 2021, S. 10-11). Die politische sowie die beiden christlichen Gemeinden Heuweilers sind hier angesprochen, für die sich daraus ergebende notwendige Integration und Akzeptanz anderer Glaubens- und Konfessionsrichtungen (Christlich Orthodox, Islam u.a.) einzutreten, z. B. durch konfessions- und religionsübergreifende Gesprächskreise.
Das ehrenamtliche/bürgerschaftliche Engagement ist in Heuweiler, nicht zuletzt wegen der hohen Zahl von Vereinen/vereinsähnlichen Gemeinschaften, sehr hoch, auch im Vergleich zu anderen Regionen bzw. Bundesländern und Deutschland. Die politische Gemeinde sollte dies weiterhin unterstützen, z.B. durch o. g. finanzielle Zuwendungen, da viele eigentlich öffentliche Aufgaben, wie Sportförderung, Feuerwehr, Rettungsdienst, Flüchtlingshilfe, Bildung und Gesundheit/Pflege, um nur die wichtigen Sparten zu nennen, durch Ehrenamtliche/bürgerschaftlich Engagierte überhaupt erst angeboten bzw. ergänzt werden können. Die Förderung, aber auch Anerkennung der ehrenamtlichen Tätigkeit, müssen eine Selbstverständlichkeit bleiben. Deren Übernahme durch kommunale, staatliche oder auch komerzielle Organisationen würde wesentlich mehr Finanzmittel binden als die Summe, die durch das ehrenamt in Heuweiler jährlich anfallen würden, wenn sie vergütet würden. 688 Stunden ehrenamtlicher Tätigkeiten je Woche, die derzeit in Heuweiler anfallen, entsprechen einer Summe von über 10.000 € pro Woche oder 536.000€ im Jahr (bei zu Grunde gelegten 15,-€/h). Diese Summe beträgt ein knappes Viertel der ordentlichen Aufwendungen im Haushaltsplan unserer Gemeinde für das Jahr 2020.
Vielleicht könnte bei besonderen Anlässen einer der in Heuweiler ansässigen Vereine zum „Verein des Jahres“ benannt oder anders geehrt werden.
Heuweiler, im September 2021
Otmar Maas und Burkhard Werner